Rede von Reinhard Tempelmann zur Eröffnung


Obwohl es uns, statistisch, finanziell so gut geht wie noch nie, scheint vielen die Zukunft doch ein gefährliches Monster zu sein.
Wir versuchen in dieser Ausstellung tatsächliche oder gefühlte Risiken für die Zukunft künstlerisch umzusetzen, dies hoffnungsfroh in teils bunten Farben.


Herzlich willkommen zu unserer Ausstellung
 
Zukunft bewahren

Etwas bewahren, das noch nicht real existiert?
Wir versuchen, uns bei unseren Ausstellungen thematisch dem Ort zu nähern, an dem wir ausstellen. Wenn sie sich nun fragen: „Was haben Stiftsdamen mit der Bewahrung von Zukunft zu tun?“ - keine Ahnung. Dies ist auch nicht der Ausgangspunkt unserer Annäherung. Wir sind da eher vom hier und jetzt ausgegangen und haben uns den Heimatverein Asbeck zum Vorbild genommen, der ja bekanntlich die treibende Kraft zum Erhalt dieser wunderschönen Gebäude und des Gedenkens an vergangene Stiftstage ist. Wenn sie nun Gemälde von Stiftsdamen, Bilder mit alten Dorfansichten und ähnliches erwarten, so muss ich sie enttäuschen. Eher ist uns an den zukunftsweisenden Aspekten gelegen; von der Vergangenheit ausgehend in die Zukunft wirkend. Und soweit ich das verstanden habe, ist es eben auch ein Anliegen des Heimatvereins, diese Zukunft mitzugestalten.

In einer Zeit, in der die Verunsicherung des Individuums immer mehr zuzunehmen scheint, bedarf es unserer Ansicht nach eines Ortes, an dem Orientierung gegeben und Heimat gefunden werden kann. Wie sich die Lebenswelt verändert, verändert sich auch das Konstrukt Heimat permanent. Heimat ist so gesehen nicht nur ein räumlicher und zeitlicher Ausschnitt aus der Realität. Der Begriff der Heimat ist permanenter Änderung unterworfen und muss dabei identitätsstiftend bleiben.
Ein schöner Titel eines Buches über systemische Psychologie lautet: Ohne Wurzeln keine Flügel. Nur wenn ich eine Grundlage habe, bin ich in der Lage in, der Welt zu bestehen und in ihr zu wirken.
Heute führt die zunehmende Komplexität des Lebens häufig zu Überforderungen. Globalisierung, Massenmigration und Digitalisierung bewirken bei vielen Menschen ein Gefühl von Identitätsverlust, Politikverdruss und Fortschrittsskepsis. Dabei können es, zumindest in unserer Gesellschaft, kaum nur ökonomische Probleme sein, die Auslöser demokratischer Desorientierung und von Ängsten sind.
Herkömmliche Lösungsstrategien scheinen nicht mehr zu greifen. Überforderung führt bei vielen Menschen zu Rückzug, Fehlanpassung, Widerstand oder Versagen. In einer solchen Situation erscheint es mir wichtig, eine stabile Basis zu haben, d.h. ein funktionierendes soziales Umfeld, von dem ich mich getragen fühle, eine Besinnung auf Werte und Grundlagen, die bereits vorhanden sind, also aus der Vergangenheit kommen, um Anforderungen zu erfüllen, die in der Zukunft liegen.
Anpassungen sind früher auch erfolgt. Ohne Veränderungen kann sich eine Gesellschaft nicht weiterentwickeln. Weiterentwicklung ist aber die Grundlage unserer Existenz. Anpassungen, wie sie heute gefordert werden, laufen allerdings in extremer Schnelligkeit ab, manchmal in Zyklen, die an Schockwellen erinnern. Wertewandel bedingt nicht immer sozialen Fortschritt, zuweilen eher das Gegenteil. Eine Besinnung auf Werte, die zuvor galten, ist manchmal hilfreich. Um bestehen zu können, benötigt das Individuum allerdings auch und insbesondere die Fähigkeit, die eigene Identität sowie sozial gelernte Wissensinhalte und Rollenbilder stetig in Frage zu stellen. Denken muss herausgerissen werden aus festgefahrenen Bahnen. Das heißt, die eigene Bequemlichkeit zu bekämpfen, nicht Populisten nachzufolgen, die die Angst vor dem Wandel und daraus resultierende Unsicherheiten ausnutzen, um Menschen für sich zu gewinnen. Sich selbst in Frage zu stellen und dem Wagnis des ungesicherten Denkens auszusetzen gehört ebenso zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft wie der Rückgriff auf Bewährtes. Um Gesellschaft weiterzuentwickeln, bedarf es der Menschen, die etwas Neues und zum ersten Mal tun, die sich nicht durch populistische Meinungen und einfache Lösungen beeinflussen lassen.
Beispiel Migration: Es ist sicher verunsichernd für eine Gesellschaft, plötzlich und unerwartet mit vielen Menschen konfrontiert zu werden, die eine andere kulturelle Identität haben. Dies ist umso verunsichernder, je unsicherer ich mir meiner eigenen Werte und meiner eigenen Existenz bin. In diesem Fall kann eine Gemeinschaft, das Gefühl in Strukturen aufgehoben zu sein, hilfreich wirken. Aus meiner Sicht liegt hier auch ein wichtiges Aufgabenfeld von Heimatvereinen: aus der Vergangenheit Kraft schöpfen, Werte vermitteln und modernen Anforderungen anpassen, Strukturen weiterentwickeln.
Wie viel schwerer muss es doch für die Zugezogenen sein. Verlassen der Heimat, des kulturellen Umfelds, Anpassungsdruck an vollkommen unbekannte Normen und Werte. Dazu das Trauma der Vertreibung und des Krieges. Auch hier glaube ich, kann ein Heimatverein wichtige Aufgaben für die Integration übernehmen und Hilfestellung geben, die herausgerissenen Wurzeln neu zu pflanzen.
Sie werden sich nun fragen, „Was hat das mit der Ausstellung zu tun?“ Wir haben zumindest versucht, in unseren Werken verschiedenste Bereiche aus den angesprochenen Themen bildnerisch zu bearbeiten. Dies auf die jeweils individuelle Art des einzelnen Künstlers, der einzelnen Künstlerin und natürlich nur auszugsweise und bruchstückhaft.
Mit meinen Ausführungen wollte ich natürlich kein Handlungskonzept für Heimatvereine entwerfen. Mir war lediglich daran gelegen aufzuzeigen, wie wichtig und sinnvoll die Arbeit der Heimatvereine ist, Heimat und Sicherheit zu vermitteln, integrativ tätig zu sein. Dies kann man nach meiner Ansicht auch für Sportvereine und andere Vereinigungen innerhalb unserer Gesellschaft sagen, die bereit sind, verantwortungsvoll gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen.
Wir sind dem Heimatverein Asbeck sehr dankbar, dass er uns die Möglichkeit gegeben hat, unsere Sichtweise in Form unserer Kunstwerke als kleines Puzzelsteinchen hinzuzufügen. Miteinander zu reden, fördert das gegenseitige Verständnis. In diesem Sinne fordere ich Sie auf mit den anwesenden Künstlern und Künstlerinnen zu ihren Werken zu diskutieren, Interpretationen einzufordern und Meinung zu äußern.